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verschiedenen Arten, in ihr zu leben - ich meine die wenigen Monate in Casale und die letzten Jahre in
Paris; nun durchlebte er seine dritte Bildungsphase, vielleicht die letzte, an deren Ende die Reife mit der
Auflösung zusammengefallen sein würde, und er versuchte, sich die geheime Botschaft dieser Phase zu
erschließen, indem er die Vergangenheit als eine Figur der Gegenwart ansah.
Casale war zu Beginn eine Geschichte von Ausfällen gewesen. Roberto erzählt sie seiner Signora, indem
er sie überhöht, als wollte er damit sagen, daß er - unfähig, wie er damals gewesen war, die Festung
seines jungfräulichen Schnees zu bezwingen, verstört, aber nicht zerstört von der Flamme seiner zwei
Sonnen - unter der Flamme einer anderen Sonne doch immerhin fähig gewesen war, sich denen
entgegenzustellen, die seine monferrinische Zitadelle einer Belagerung unterzogen.
Am Morgen nach ihrer Ankunft hatte Toiras einige unbegleitete Offiziere losgeschickt, die mit
geschulterter Büchse herausfinden sollten, was die Neapolitaner auf dem am Vortag eroberten Hügel
installierten. Sie hatten sich zu weit vorgewagt, es war zu einem Schußwechsel gekommen, und ein
junger Leutnant des Regiments Pompadour war getötet worden. Seine Kameraden hatten ihn in die
Stadt zurückgebracht, und so hatte Roberto den ersten getöteten Toten seines Lebens gesehen. Toiras
beschloß, die Häuser besetzen zu lassen, von denen er am Vortag gesprochen hatte.
Von den Bastionen aus konnte man das Vorgehen der zehn losgeschickten Musketiere gut verfolgen: An
einem bestimmten Punkt teilten sie sich, um das erste der Häuser in die Zange zu nehmen. Auf den
Stadtmauern ging eine Kanonade los, die über ihre Köpfe hinweg das Dach des Hauses abdeckte: Wie
aufgescheuchte Insekten kamen einige Spanier heraus und liefen davon. Die Musketiere ließen sie laufen,
besetzten das Haus, verbarrikadierten sich und begannen, den Hügel unter Beschuß zu nehmen.
Es bot sich an, die Operation bei anderen Häusern zu wiederholen: Auch von den Bastionen aus konnte
man jetzt sehen, daß die Neapolitaner anfingen, Schützengräben auszuheben und sie mit Faschinen und
Schanzkörben zu umgeben. Aber diese Gräben legten sich nicht um die Hügel, sondern wuchsen in die
Ebene hinaus. Roberto lernte, daß es immer so anfing, wenn Minengänge gegraben wurden. Waren
diese Gänge erst einmal an der Stadtmauer angelangt, würden sie auf dem letzten Stück mit
Pulverfässern gefüllt werden. Es galt also zu verhindern, daß die Grabungen einen Punkt erreichten, von
dem aus sie unterirdisch fortgesetzt werden konnten, sonst würden die Feinde von jenem Punkt an in
Deckung weitergraben können. Bei dem ganzen Spiel ging es darum, von außen und im Freien den Bau
von Gängen zu verhindern und selber Gegengänge zu graben, bis die Entsatzarmee eintraf -
vorausgesetzt, daß die Lebensmittel und Munitionsvorräte so lange reichten. Bei einer Belagerung gibt es
nichts anderes zu tun, nichts als die anderen zu behindern und abzuwarten.
Am nächsten Morgen kam dann wie versprochen der Sturm auf das Fort. Roberto fand sich, die Büchse
im Arm, inmitten eines undisziplinierten Haufens von Leuten, die keine Lust gehabt hatten, in Lù, in
Cuccaro oder in Odalengo zu arbeiten, sowie umgeben von schweigsamen Korsen, alle
zusammengedrängt auf Booten, um den Po zu überqueren, nachdem zwei französische Kompanien
bereits ans andere Ufer übergesetzt waren. Toiras mit seinem Gefolge beobachtete die Aktion vom
rechten Ufer aus, und der alte Pozzo winkte seinem Sohn einen Gruß zu, indem er ihm zuerst mit der
Hand »Los, los!« bedeutete und sich dann den Zeigefinger ans Jochbein legte, um ihm zu signalisieren:
»Augen auf!« Die drei Kompanien verbarrikadierten sich im Fort. Der Bau war nicht fertiggestellt
worden, und Teile waren schon wieder eingestürzt. Die Männer verbrachten den Tag damit, die Löcher
in den Mauern zu stopfen, aber das Fort wurde gut geschätzt durch einen Graben, vor den einige
Wachen postiert worden waren. Als die Nacht kam, war der Himmel so klar, daß die Wachen
eindösten, und auch die Offiziere hielten einen Angriff für nicht wahrscheinlich. Doch plötzlich erklang
das Trompetensignal, und spanische Leichte Reiter erschienen.
Roberto, der von Capitano Bassiani hinter einige Strohballen postiert worden war, die ein Loch in der
Mauer verstopften, begriff nicht gleich, was vorging: jedem Reiter folgte ein Musketier, und als sie beim
Wassergraben angelangt waren, begannen die Reiter an ihm entlangzureiten, während die Musketiere
das Feuer eröffneten und die wenigen Wachen liquidierten; danach warfen sie sich zu Boden und
robbten in den Graben. Während die Reiter einen Halbkreis vor dem Tor bildeten und die Verteidiger
durch intensiven Beschuß zwangen, in Deckung zu bleiben, erreichten die Musketiere ohne Verluste das
Tor und die schlechter verteidigten Breschen.
Die italienische Kompanie, die mit der Wache beauftragt war, ballerte ihre Waffen leer und lief dann in
Panik auseinander, und dafür sollte sie noch lange geschmäht werden, aber auch die französischen
Kompanien wußten nichts Besseres zu tun. Vom Beginn des Angriffs bis zur Erstürmung der Mauern
waren nur wenige Minuten vergangen, und die Männer wurden von den eingedrungenen Angreifern
überrascht, als sie ihre Waffen noch nicht ergriffen hatten.
Die Feinde nutzten ihren Vorteil und metzelten die Überraschten nieder, und sie waren so zahlreich, daß,
während einige noch die Lebenden niederstreckten, andere schon begannen, die Gefallenen zu plündern.
Roberto, der auf die Musketiere geschossen hatte, war, als er mit Mühe nachlud, die Schulter noch
schmerzend vom Rückstoß, durch den Angriff der Reiter überrascht worden, und die Hufe eines
Pferdes, das über seinem Kopf durch die Bresche sprang, hatten die Barrikade über ihm
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